Freitag, 15. Mai 2020

(K)ein Tag mit Lew Koppelew

Normalerweise lebe ich nach der Devise: Wenn man etwas versäumt, erlebt man dafür etwas anderes, also versäumt man eigentlich nichts. Besonders in der jetzigen „Corona-Zeit“ trifft das zu, in der ich einige kleine Reisen und Besuche versäumte, dafür aber schöne Erlebnisse mit Menschen aus meiner Umgebung hatte.

Manchmal versäumt man aber wirklich eine Gelegenheit, weil sie einmalig ist und unwiederholbar. Das war für mich ein Tag mit Lew Kopelew. Es war in den bewegten Tagen der Wende, als ich diesen Tag versäumt habe. Mein ´kleiner` Bruder hatte sich politisch engagiert und war als einer der ersten in die neu gegründete SDP (DDR-analog zur SPD) eingetreten. Eines Tages meldete sich Lew Kopelew bei der SDP und äußerte den Wunsch, Näheres über die in der DDR neu gegründete Partei zu erfahren und die Stadt Potsdam zu besichtigen. Allzu groß war die Reserve der neuen Partei noch nicht, dazu wohnte mein Bruder in Potsdam. So trug man die Bitte an den jungen Studenten heran, sich Lew Kopelews zu widmen.

Das Problem war, dass er kein Auto hatte. Er wandte sich an seine Mutter, die über ein Auto verfügte (es war sogar dem Anlass gemäß geeignet, ein VW-Golf, der durch „Genex“-Einkauf erworben worden war – ob damit heute noch jemand etwas anfangen kann?) Die Mutter war selbstverständlich bereit, mit dem Auto nach Potsdam zu fahren. Für mich wäre es kein Problem gewesen mitzukommen. Von Lew Kopelew hatte ich viel gelesen. Aber ich hatte keine Lust, mir den Tag frei zu nehmen. Der Bruder und die Mutter sind einen ganzen Tag lang mit Lew Kopelew in Potsdam herumgefahren, haben viel besichtigt und viel erzählt. Später sagte ich manchmal: „Ich habe in meinem Leben nicht so viel versäumt, aber eins habe ich versäumt: Dass ich nicht die Gelegenheit genutzt habe, einen Tag mit Lew Kopelew zu verbringen“. Meines Bruders politisches Engagement brachte ihm ein, dass er ca. ein halbes Jahr Mitglied der einzigen frei gewählten DDR-Volkskammer war.

Im Luftreich des Traums

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