Donnerstag, 21. November 2013

Am Volkstrauertag

Es ist mir aufgefallen, dass der Volkstrauertag in den letzten Jahren in der Kirche immer inniger begangen wird. Angeblich sollen in manchen Kirchen sogar Andachten an den Kriegergedenksteinen stattfinden. Selbstverständlich pflegt man in das Gedenken alle Toten der zwei Weltkriege einzuschließen. Auf den Kriegergedenktafeln steht jedoch für "unsere gefallenen Soldaten" eingraviert, die darüber hinaus manchmal als Helden bezeichnet werden, so dass das "allgemeine Gedenken" nicht unbedingt zu überzeugen vermag. Und wozu sollte man auch der umgebrachten Juden gedenken? Die hatten doch schon ihr Gedenken am 9. November. Mir erscheint der Volkstrauertag eher als ein Äquivalent zum "Pogromgedenken". Wenn wir schon der Juden gedachten, so müssen wir auch "unserer Leute" gedenken, auch um bei den Menschen das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass der Tod eines jeden Menschen im Krieg gleich böse ist, egal unter welchen Umständen er starb. Obwohl mir das nicht theologisch korrekt erscheint, aber darauf kommt es nicht an.

Am Sonntag, dem Volkstrauertag, kam ein Gastprediger in die hiesige Kirche und vor dem Besuch spekulierten einige Gemeindeglieder, ob er sich wohl zum Volkstrauertag äußern werde. Ich sagte: "Er ist ein Linker, und die sind eher nicht dafür". Jedoch sind die Linken inzwischen den Rechten immer ähnlicher geworden. Der Volkstrauertag wurde gottesdienstlich begangen, wenn auch auf linke Art. Der Pastor predigte dahingehend, dass der Volkstrauertag fast eine überholte Bedeutung für uns habe, denn wir lebten in so komfortablen Verhältnissen - Gott sei Dank -, dass Krieg für uns kein Thema mehr sei. Uns wolle niemand angreifen, und wir wollen niemanden angreifen. Mit den Kriegen, die leider an vielen Stellen auf der Welt noch stattfinden, haben wir nichts zu tun, und das sei auch gut so. Warum ein Land, das vom Standpunkt der Kriegskunst so unschuldig ist, im beträchtlichen Maße Waffen produziert und in alle Welt exportiert und für die Folgen dieses Tuns nicht einstehen will, blieb unbeantwortet. Aus den Ausführungen ging aber deutlich hervor, dass wer in Kriege verwickelt sei, selbst daran Schuld habe, denn wenn man niemanden auswärts angreife, so gebe es auch keinen auswärtigen Angreifer, so wie es jetzt bei uns der Fall sei.

So konnte sich die versammelte Gemeinde beruhigt zurück lehnen. In die Trauer des Volkes mischte sich heimlich selbstgerechte Freude, und wer weiß - wenn alle Menschen von demselben Friedenswillen beseelt sind, wie der Pastor es in seiner Predigt war, dann wird der Volkstrauertag in absehbarer Zeit womöglich überflüssig werden.

Im Luftreich des Traums

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